Bei neun von zehn Frauen ist die Figur nach Schwangerschaft und Geburt verändert und sehr oft deutlich weiblicher. Viele von ihnen wollen sich nicht damit abfinden und sehnen sich nach ihrem Körper, so wie er vor der Geburt war. Müdigkeit und ständiger Zeitmangel prägen die erste Zeit nach der Geburt. Wie wird man wieder fit nach der Geburt?
Der Bonner Orthopäde, Unfallchirurg und Sportmediziner Dr. Markus Klingenberg hat sich nach der Geburt seines Sohnes mit dem Thema „besser trainieren nach der Schwangerschaft“ intensiv beschäftigt und den Ratgeber: „Ich will meinen Körper zurück“ (Pflaum Verlag, ca, 29 Euro) für werdende und junge Mütter verfasst. Im PODCAST-Interview gibt er wertvolle Tipps und erklärt, wie man wieder fit nach der Geburt wird und warum ausgerechnet er als Mann dieses Buch geschrieben hat.
Wie lange darf eine frisch gewordene Mutter keinen Sport nach der Geburt treiben?
“Der Zeitpunkt für den sportlichen Wiedereinstieg variiert sehr stark von Frau zu Frau. Deshalb wähle ich als Orientierungshilfe das Bild einer Ampel. Unmittelbar nach der Geburt steht diese auf ‘Rot’. Übungen, die in ihrer Belastung dem Alltag entsprechen, können durchgeführt werden, wenn aus medizinischer Sicht nichts dagegenspricht. Diese Phase kann sechs Wochen oder länger andauern, bevor in der ‘orangen Phase’ intensiver trainiert werden kann. Sprünge und hohe Zusatzgewichte sind dann allerdings immer noch tabu. Uneingeschränkt alles kann wieder in der ‘grünen Ampelphase’ trainiert werden. Das ist meistens nach 6 bis 12 Monaten der Fall.”
Fit nach der Geburt: Womit sollen junge Mütter beginnen?
“Zuerst mit Alltagsbewegungen. Spazierengehen mit dem Kinderwagen ist entspannend für Mutter und Kind. Die 10.000 Schritte am Tag sind eine mögliche Zielgröße für den Umfang der Alltagsbewegung. Dass Übungen zur Ansteuerung und Kontrolle des Beckenbodens und insgesamt der Rumpfmuskulatur von Anfang an wichtig sind, ist ja weitestgehend bekannt. Sinnvoll finde ich zusätzlich Ausgleichsbewegungen gegen typische Verspannungen durch häufiges Sitzen, Stillen und Heben. Sie lassen sich gut in den Alltag integrieren.”
Wie lange dauert es nach der Geburt wieder fit zu werden?
“Das kann man leider nicht pauschal beantworten. Bei den meisten jungen Müttern wird es etwa nach neun bis zwölf Monate der Fall sein.”
Was empfehlen Sie auch während der Schwangerschaft zu tun, um nicht ganz aus der Form zu geraten?
“Zu diesem Thema gibt es schon sehr viel gute Literatur, Trainings-Videos und Apps. Grundsätzlich lässt sich die Ampellogik auch hier anwenden, nur umgekehrt. Zu Beginn der Schwangerschaft kann in der grünen Phase beinahe alles trainiert werden. Zunehmend schränken sich dann die Belastungsintensität und der Umfang ein. Das entspricht der Orange- und Rotphase. Zwei wesentliche Faktoren beeinflussen die Dauer dieser Phasen und den Inhalt. Das sind die allgemeine Fitness der Frau vor der Schwangerschaft und medizinische Gründe. Mit einer hohen Grundfitness und ohne medizinische Komplikationen ist ein angepasstes Training bis kurz vor der Geburt möglich.”
Sie haben in Ihrem Buch „Ich will meinen Körper zurück“ 15, wie Sie sagen, Heldinnen, zum Thema Return-to-Shape befragt. Wonach haben Sie die Frauen ausgewählt?
“Die Heldinnen sind Mütter, die es geschafft Familie, Sport und Beruf erfolgreich zu bewältigen. Ihre Erfahrung, ihre Fehler und ihre Tipps sind die Grundlage für ein erfolgreiches Konzept. Sie kommen beruflich aus den unterschiedlichen Bereichen, haben unterschiedlich viele Kinder und betreiben unterschiedliche Sportarten. In meiner Wahrnehmung haben sie trotz aller Spannungen, die bei jeder Familie und im Job auftreten, auf sich selbst geachtet und darüber hinaus oft auch anderen Müttern geholfen, ihre Ziele zu erreichen.”
Oft sieht man in den Medien Prominente, die kurz nach der Schwangerschaft wieder ihre Topform erreichen. Woran liegt das? Wie stehen Sie zu dem Thema?
“Erfolgsfaktoren von Prominenten sind eine klare innere Einstellung (Mindset), ein konkretes Ziel (‘Ich habe in 3 Monaten einen Dreh und muss dafür wieder in Form sein’), die notwendige Disziplin und eine oft umfangreiche Unterstützung. Wenn Kinderbetreuung, Einkaufen, Kochen und Aufräumen ganz oder in Teilen delegiert werden können, hat die junge Mutter Zeit und Energie sich um sich vermehrt ums sich selbst und ihr Training zu kümmern. Besonders hilfreich sind ein Motivationsschub von außen durch eine Trainerin/einen Trainer und ein gutes Konzept. Mein Ratgeber kann zwar nicht putzen und kochen, aber er motiviert die Leserinnen und gibt ihnen einen praktischen Leitfaden an die Hand – ähnlich wie ein Trainer der Prominenten.”
Wo liegen die größten Probleme beim Thema Fit nach der Geburt?
“Fehlende Zeit, fehlende Energie und ein fehlendes Konzept. Die sozialen Medien sind ein zweischneidiges Schwert. Sie können auf der einen Seite motivierend wirken, auf der anderen Seite können sie einen unrealistischen sozialen Druck aufbauen und das Gefühl vermitteln, andere Mütter seien ständig entspannt, gutaussehend und top in Form!”
Drei Tipps zum Thema “Fit nach der Geburt”.
“1. Sei dir bewusst über deine Motivation und setze dir ein klares Ziel.
2. Stimme dich mit deinem Partner und deinem Umfeld ab, um dein Ziel organisatorisch umsetzen zu können.
3. Nimm dir Zeit für dich und habe kein schlechtes Gewissen, wenn du dir etwas Gutes tust! Du bist toll so wie du bist!”
Aufmacherfoto: Adobe Stock, Fotos: Dr. Markus Kilingenberg, Unsplash